Sarah-Lea Langner: Interview mit Margareta Hesse.
Publiziert am 8. September 2022.
Du warst viele Jahre auch in Dortmund als Professorin tätig. Dies ist aber deine erste Ausstellung seit langem im Ruhrgebiet. Wie kommt das?
Im Zusammenhang mit meiner Arbeit als Professorin habe ich mit Studierenden gearbeitet und bin kaum mit Ausstellungsmacher_innen in Kontakt gekommen. Außerdem lebe ich seit 2005 in Berlin und war nicht im Dialog mit Museen und Kunstvereinen in NRW. Ich war immer eine Einzelgängerin, nie eine Netzwerkerin. Über Jahrzehnte habe ich abseits im Sauerland gelebt.
Was waren für dich wichtige Meilensteine in deinem künstlerischen Werdegang?
Der erste wichtige Meilenstein war die Abwendung von der hyperrealistischen Malerei im Studium und der Sprung in den Bereich der Objekte und Installationen, der Sprung in den Bereich des Raumes und der Materialität: Harter Stahl, weiche ledrige Oberflächen…
Im Rahmen meiner Arbeit an neuen Ansätzen in der Malerei bin ich dann 1999 auf mein heißgeliebtes semitransparentes Polyestermaterial gestoßen, auf dem ich teils mit transparenten Lacken gearbeitet habe und begeistert war vom Einfluss des Lichtes auf die Bilder. Ich war beeindruckt, von der bildverändernden Wirkung des Lichtes, das durch die transluzenten Platten hindurchscheint.
2008 wurde ich zu einer Ausstellung in der Künstlerzeche „Unser Fritz“ in Herne mit meinen transluziden Arbeiten auf Polyester eingeladen. In dieser Zeche gab es einen Gewölbetunnel und dieser verwunschene, bemerkenswerte Stollengang hat mich auf die Idee gebracht, mit realem Licht, mit Laserlicht zu arbeiten. Seit dieser ersten Installation mit Laserlicht war ich fasziniert von diesem ganz besonderen Licht und habe begonnen, damit in immer größeren Dimensionen zu arbeiten.
LICHTUNGEN Hildesheim 2018. Fotos: Jennifer Braun.Wie arbeitest du? Wie beschreibst du deine künstlerische Praxis?
Der erste Schritt ist die Erkundung der Räume. Sie sind immer Ausgangspunkt für die künstlerische Intervention. Die Installationen müssen in die Räume hineinwachsen. Dann kann ich anfangen, Ideen für die skulpturale Form der Installation zu entwickeln.
Meine Vorstellungen visualisiere ich in den Fotos der Räume, um zu sehen, ob sie funktionieren und um die Positionierung der Elemente im Raum festzulegen. Neue Formen, neue Installationen erwachsen aus den bereits existierenden. Am Ende steht ein exakter Montageplan für die Lasergeräte und Spiegel.
Was ist dir an deinen Arbeiten wichtig?
Ich selbst bin – auch nach Jahren der Arbeit mit Laserlicht – immer noch beeindruckt von diesem sehr speziellen Licht und möchte, dass die Besucher ebenfalls dieses verführerische Licht erleben, erfühlen, erspüren, erfahren.
Was hat dich in der Ausbildung deines künstlerischen Ansatzes geprägt? Was hat deine künstlerische Haltung beeinflusst?
Im Laufe der Zeit habe ich entdeckt, dass Materialität und das Assoziationspotential der Materialien für mich ein Inspirationsfaktor ist. Deshalb fasziniert mich auch das Laserlicht. Aus manchen Perspektiven sehen die Strahlen aus, als wären sie aus festem Material und man könnte sie wegtragen. Fasst man in den Strahl, spürt man nichts, man kann hindurch gehen und fühlt keinen Widerstand. Es gebärdet sich in feinem Dunst materialhaft und ist dann aber doch immateriell.
Eigentlich kommst du aus der Malerei. In deinen Malereien arbeitest du viel mit transluzenten Rottönen. Was macht das aus deiner Sicht besonders interessant?
Die Farbe Rot ist aus meiner Sicht die faszinierendste aller Farben. Transparentes Rot verwandelt alle Farbtöne auf der hinteren Bildplatte in hellere oder dunklere Rottöne. Rot ist dominant und duldet selbst in kleinen Formaten nicht, dass man es übersieht. Es hat ein extrem emotionales und widersprüchliches Assoziationspotential – von Liebe über Erotik und Hitze bis zu Wut, Mord, Blut.
INTERFERENCE Tunis 2022. Fotos: Amor Ben Rhouma, Margareta Hesse, Mehdy Khemili.Wie ist es dazu gekommen, dass Laserlicht zu einem wesentlichen Medium für deine Installationen geworden ist? Was interessiert dich daran?
Die Widersprüchlichkeit dieses Lichts birgt aus meiner Perspektive ein enormes Potential. Für mich ist es das spannendste Licht, weil es in feinem Dunst wie ein Objekt erscheint. Es gebärdet sich wie ein Hindernis, wie eine Barriere, die den Raum versperrt. Versucht man, den Lichtstrahl zu greifen, fasst man ins Leere. Dann kommt noch ein Faktor hinzu: Grundsätzlich ist Licht absolut positiv konnotiert, denn es ist für uns als sehsinn-orientierte Wesen lebenswichtig.
Darüber hinaus symbolisiert das Licht alles Positive und Gute – im Kontrast zur Finsternis. Laserlicht allerdings ist auch konnotiert mit Schneiden, Operationen oder gar einem Mordwerkzeug. Es ist das einzige Licht, das verunsichernd wirkt und suspekt erscheint. Für mich ist es nicht in erster Linie ein Licht, das man bewundern kann, sondern man kann es interaktiv erleben.
Licht- und Medienkunst hat es noch immer schwer, in Museen gezeigt zu werden. Woran liegt das aus deiner Sicht?
Die Menschen lieben das Licht. Die Lichtfarben sind betörend schön und so intensiv wie keine Pigmentfarbe. Insbesondere in der dunklen grauen Jahreszeit sehnen sich die Menschen nach Licht und Farbe. Geschäftstüchtige Lichtinszenierer haben das erkannt. Events mit viel bunter Illumination sind ins Leben gerufen worden, die – ebenso wie die Weihnachtsbeleuchtung – viel buntes Licht in die graue Stadt gebracht haben, aber nicht immer hohe künstlerische Qualität. Dadurch hat das Image der Lichtkunst insgesamt sehr gelitten. Ein nicht unwesentlicher Faktor darüber hinaus ist, dass der Aufbau und die Pflege von Ausstellungen mit Technik viel aufwendiger und daher auch teurer ist als beispielweise eine Ausstellung mit Malerei.
Bist du mit der kinetischen Sammlung des Kunstmuseums vertraut? Gibt es eine Arbeit, die du besonders schätzt?
Ich mag die kinetischen Arbeiten in dem Museum und bin insbesondere ein Fan der Objekte von Pol Bury, der in seinen Werken superlangsam drehende Motoren einsetzt. Trotz der gleichmäßigen Drehung der Motoren bewegen sich die strubbelig angeordneten Nylonfädchen ganz ungleichmäßig. Das Objekt „Ponctuation“ wirkt organisch, wie ein Lebewesen. Wenn man es schafft, den Apparaturen „Leben einzuhauchen“, finde ich das faszinierend. In meiner eigenen künstlerischen Arbeit gibt es verschiedene kinetische Projekte, in denen mich eben diese Idee antreibt – unter anderem habe ich die Laserroboter entwickelt.
Deine Installation heißt „Lightwave“, es ist eine Variation wie du die Laser im Raum positionierst und durch Spiegel ablenkst. Gab es einen bestimmten Grund, weshalb du sie hier in Gelsenkirchen gerne zeigen wolltest?
Meine Lighwave, eine skulpturale Form, die flach anläuft wie eine Welle und sich dann zu einem Lichtraum auftürmt, habe ich in diesem Frühjahr im Zusammenhang mit der Ausstellung „Himmel unter Berlin“ entwickelt. Dies ist unter meinen Laserinstallationen die erste Lichtskulptur, die man als Raum betreten kann. Ich habe bemerkt, wie sehr es die Besucher fasziniert, sich in diesem Lichtraum aufzuhalten. Der Ausstellungsbereich im Museum ist viel kleiner und niedriger als der Raum in der ehemaligen Böhmischen Brauerei. Dies ist eine ganz andere Raumsituation, die auch das Gefühl vermitteln könnte, dass man wie in eine Falle, eine Lichtfalle hineingeht, sobald man die Installation betritt. Diese Wirkung muss ich durch das Experiment erkunden. Das kann ich nicht simulieren. Und ich bin wirklich selbst neugierig, welche Wirkung sich entfaltet.
Der Aufbau der Installation ist sehr aufwendig, woran liegt das?
Bei der raumhohen Laserinstallation setze ich Laser mit einem eingebauten Sicherheitsmechanismus ein. Der mit Spiegeln durch den Raum geleitete Strahl muss zum Schluss in einen Sensor treffen. Dieser mißt die zurückgekommene Energie und unterbricht sofort, sobald irgend etwas den Strahl unterbricht. Sobald kein Hindernis mehr im Strahlengang ist, ist der Laser wieder aktiv. Da der Sensor sehr klein ist, muss die Installation ganz präzise ausgerichtet sein, sonst funktionieren die Laser nicht. Präzision ist immer aufwendig. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, dass die Besucher Abstand von den Geräten und den Spiegeln halten.
Welche Rolle spielt das Publikum für dein Projekt? Wird die Installation begehbar sein, wie in der Berliner Variation?
Die Begehbarkeit meiner Installationen ist ein zentraler Punkt in meinen Arbeiten. Meine Installationen kann man rein visuell nur unzureichend erfahren. Das Publikum ist der Motor für die Entwicklung meiner Installationen. Selbstverständlich ist die Begehbarkeit der Lichtskulptur und die sinnliche Erfahrung des Lichtes der Dreh- und Angelpunkt in dieser immersiven Installation.
Die diesjährigen Goldstücke befassen sich mit dem Thema “Texturen der Stadt”. Wie sich Formen und Formate entwicklen, die nicht als Konzepte geplant sind, sondern die sich aus Nutzungen und Nicht-Nutzungen ergeben? Wie siehst du deine Kunstintervention im Rahmen dieser Fragestellung?
Ich finde es sehr gut, dass das Kunstmuseum in dieses Lichtkunstprojekt, das sich über sehr unterschiedliche Orte in der Stadt erstreckt, mit einbezogen ist. Kunstmuseen sind immer sehr spezielle Orte, die für die Öffentlichkeit gemacht sind, aber dennoch gibt es Schwellenängste oder die Vorstellung, dass das, was in einem Museum zu sehen ist, nicht spannend ist. Dieses große Lichtkunstprojekt aber spült alle Besucher durch alle Lichtkunst-Standorte, und ich habe die Erfahrung gemacht, dass meine Installationen auf alle Menschen anziehend wirkt – egal ob sie sich in Museen zu Hause fühlen oder nicht.
Welche der anderen künstlerischen Positionen der GOLDSTÜCKE empfiehlst du den Besucher_innen und warum?
Bislang habe ich noch keine aufgebaute Arbeit gesehen und kann daher nur sehr eingeschränkt urteilen. Aber ich würde aus der Kenntnis vorheriger, mir bekannter Arbeiten die Installation von molitor & kuzmin empfehlen. Die Arbeiten des Künstlerduos sind immer wieder raumbezogen, überzeugend und von hoher ästhetischer Qualität.
BEITAGSBILD
Margareta Hesse. Light Wave (2022). Foto Margareta Hesse