mit Ingo Wendt

Gamze Can: Interview mit Ingo Wendt
Veröffentlicht am 13. September 22

Für die “Lichtblumen” hast du dir einen echten Off-Ort ausgesucht. Deine Installation wird auf dem Bunker vor dem Rathaus (Ecke Goldbergstraße / De-La-Chevallerie-Straße)  installiert werden. Weshalb hast du dich bei diesem Standort für diese Installation entschieden?

Die Arbeit funktioniert am besten im Wald. Das ist natürlich mitten in der Stadt nicht ganz einfach zu finden. Ich denke, dieser Ort vor dem Rathaus, auf dem Bunker, etwas versteckt, mit Wildwuchs – das ist ein guter Kompromiss.

Wie genau funktionieren deine Lichtobjekte?

Die Lichtblumen basieren auf LED Stripes von etwa 50 cm Länge, die als Lichtspiel für die Montage in Fahrrad-Speichen verkauft werden. Wenn sich das Rad dreht, gibt es einen Bildaufbau. Es können eigene Bilder abgespeichert werden. Meine Lichtblumen sind kinetische Elemente, in denen sich diese Stripes mittels 12-V-Motoren selbst drehen. Sie sind derart organisiert, dass sie mit Akku-Batterien oder Netzteil betrieben werden können.

Wie lange brauchst du – von der Idee bis zur fertigen Installation – um diese zu entwickeln? 

Das ist sehr unterschiedlich. Manchmal schaffe ich den Schritt in die Realität gar nicht … bei den Lichtblumen hat sich die Ausführung während des Bauens stetig verbessert, sodass die Ersten am Ende wieder verändert werden mussten.

Ich habe an zwanzig Stück über etwa drei Monate gearbeitet, entwickelt wurden sie in einem Zeitraum von ein bis zwei Jahren. Für die verschiedenen Bilder brauche auch noch mal ein paar Tage.

Ingo Wendt. SEE DJERBA Houmt Souk 2019. Photo Corrie Francis Parks (15)
SEE DJERBA Houmt Souk 2019. Foto: Corrie Francis Park

Mit dem Schwerpunkt von Licht und Bewegung im Raum integrierst du physikalische Prozesse in deine Arbeiten mit ein. Zeit, Raum und Bewegung sind wichtige Koordinaten für dich. Wie arbeitest du mit diesen Wirkkräften?

Die Lichtblumen sind mit ihrer schnellen Dynamik eher untypisch für mich. Ich betrachte sie als eine Arbeit für Kinder, da darf es ruhig etwas schneller sein …

Im Allgemeinen mag ich langsame Bewegungen, um die Zeit zu dehnen. Es sollte doch möglich sein, sich tatsächlich Zeit zu „nehmen“ und diese dann zu „haben“, die Länge der Zeit zu spüren und zu genießen. Na ja, ich versuche immer wieder das Gefühl des endlosen Sommernachmittages aus der Kindheit wiederzufinden.

Mit deinen Arbeiten spielst du oft mit der Wahrnehmung der Betrachter_innen, hast du dabei ein bestimmtes Ziel im Auge?

Immer geht es um Lichterfahrung auf mehreren Ebenen. Einen tieferen Hintergrund mag sich jede / jeder suchen, die/der mag, denn ich weiß es steckt einiges drin. Von Poesie, Kontemplation bis hin zur Betrachtung der Phänomene. Es ist nicht nötig, dazu sperrige Konzepte aufzurufen. Natürlich lässt sich bei analogen kinetischen Arbeiten die Kontroverse zur Flut digitaler Arbeiten bearbeiten, aber primär soll es Spaß machen und gerne auch einen sozialen Aspekt haben. Die einfache Eingangsebene erlaubt es, positive Impulse einfach so mitzunehmen. Licht funktioniert eben auch bei kunstfernem Publikum.

Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (3)_1500x1000
Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (1)_1500x1000
Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (6)_1497x1000
Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (13)_1500x1000
Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (7)_1494x1000
Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (12)_1500x1000
Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (9)_1497x1000
Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (4)_1500x1000
Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (5)_1498x1000
Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (11)_1500x1000
Ingo Wendt. LICHTROUTEN Luedenscheid 2018. Photo Jennifer Braun (10)_1500x1000
LICHTROUTEN LÜdenschedi 2016. Foto: Jennifer Braun

In deinem Werdegang hast du früh auf den den Schwerpunkt Licht gesetzt. Seitdem gab es viele technische Fortschritte. Welche Vorteile konntest du dir für deine Arbeiten daraus ziehen? Gab es mit der neuen Technik Dinge, welche du mithilfe deiner Kunst neu entdecken oder entwickeln konntest?

Es wurde so viel einfacher, mit Rechnern zu arbeiten. Heute sind die Systeme zunehmend komplexer … mir genügt oft ein einfaches digitales Licht-Steuerungsprogramm, ein altes Photoshop-Programm und ein digitales Zeichenprogramm für meine Arbeiten …

Die Möglichkeiten heute super, vieles wurde sowohl bedienbar als auch bezahlbar, man kann günstig filmen, fotografieren, Ton aufnehmen, es gibt tolle gebrauchte Rechner, viele Programme halten eine Menge Möglichkeiten parat, ohne dass wir programmieren müssen.

Meistens brauche ich das Ganze für meine Arbeit nicht, aber ich schaue schon, dass ich bei verschiedenen Techniken zumindest weiß, wo die Eingangstür ist. Wenn ich für eine neue Option eine Idee habe, dann arbeite ich auch damit.

Ingo Wendt. INTERFERENCE Tunis 2018. Foto Jennifer Braun. (1)
Ingo Wendt. INTERFERENCE Tunis 2018. Foto Jennifer Braun (2)
Ingo Wendt. INTERFERENCE Tunis 2018. Foto Jennifer Braun (1)
Ingo Wendt. INTERFERENCE Tunis 2018. Photo Jnayna Bouali
INTERFERENCE Tunis 2018. Foto: Jennifer Braun

Welche Rolle spielt das Publikum für dein Projekt? Was wünscht du dir von den Besucher_innen?

Das Publikum und seine Reaktionen betrachte und begleite ich sehr gerne. Meine Erfahrung ist, dass die Gesichter sich aufhellen, wenn etwas zusätzliche Information übergeben wird.

Für mich zeigen meine Arbeiten alle ihre Geheimnisse offen und sichtbar. So wie ich denke, damit Selbstverständliches zu formulieren. Aber das ist dann natürlich meine eigene Sichtweise. Deshalb bin ich gerne am Ausstellungsort im Gespräch mit dem Publikum.

Welche der anderen künstlerischen Positionen der GOLDSTÜCKE empfiehlst du den Besucher_innen und warum?

Da empfehle ich alles aufmerksam anzuschauen. Manchmal zeigt sich etwas erst auf den zweiten Blick oder braucht etwas Gärzeit. Ich selbst lasse mich gerne überraschen und hoffe, dass ich Zeit finde, mir alles anzuschauen. Oft mache ich auf Ausstellungen zuerst eine schnelle visuelle Runde, um danach zu spüren, was mich besonders anzieht und dann mit Ruhe nochmal tiefer einzusteigen.

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Bettina Pelz: Ingo Wendt: Metamatische Lichtmaschinen (2019)

BEITRAGSBILD

Ingo Wendt. LICHTSTROM Ingolstadt 2021. Foto Jennifer Braun